Hängen Sie Dinge gerne an die große Glocke? Dann sind Sie vermutlich ein recht kommunikativer Mensch. Denn wer etwas „an die große Glocke hängt“, macht Informationen in großem Stil öffentlich. Die Redewendung stammt aus einer Zeit, in der Glocken das Massenkommunikationsmedium Nummer 1 waren - lange bevor es Radio, Fernsehen oder Internet gab. Damals regelte der Klang der Glocken das Leben der Menschen. Sie läuteten, wenn es brannte oder Hochwasser drohte und informierten über Pest, Krieg und Frieden. Sie wurden geläutet, wenn ein Mensch geboren wurde, ein Paar den Bund der Ehe schloss oder ein Mensch zu Grabe getragen wurde. Die Glocken strukturierten Tages- und Wochenablauf und viele Menschen wollten so nahe wie möglich am Glockenturm wohnen, um nur ja nichts zu verpassen.
Bis heute informieren Kirchenglocken darüber, was vor sich geht. Sie läuten zum Gottesdienst oder zum täglichen Gebet. Sie weisen auf bestimmte Vorgänge im Gottesdienst hin, erklingen zum gemeinsamen Vater Unser oder zur Taufe. Sie läuten in der Silvesternacht das neue Jahr ein, sind die klingenden Ovationen auf dem letzten Weg zum Grab und sie schweigen, wenn die Christenheit an den Kartagen Jesu Tod gedenkt.
Es gab eine Zeit, da sollten die Glocken im großen Stil zum Schweigen gebracht werden. Im Zweiten Weltkrieg hängten die Nationalsozialisten mehr als 100.000 Glocken ab, schmolzen sie ein und funktionierten sie zu Kriegsmaterial um oder deponierten sie auf sogenannten Glockenfriedhöfen. Es ging den Nazis dabei wohl nicht nur um das Material, wie mein Kollege Pfarrer Martin Vorländer meint: „Das Schweigen der Glocken damals ging einher mit dem Schweigen der Menschen angesichts unfassbarer Gräueltaten. Denn Menschlichkeit lebt auf, wenn Glocken zur Besinnung rufen, zur Unterbrechung des Alltags, zum Friedensgebet.“
Auch wenn sich heute einige Menschen durch das Glockenläuten gestört fühlen und manche sogar gegen die ihrer Meinung nach nervende Lärmbelästigung vor Gericht ziehen, gehören Glocken nach wie vor zu unserer historischen Geräuschkulisse. Sie entführen uns in die Klangwelt unserer Vorfahren, sie laden uns zum Innehalten ein und zum Hinhören. Sie verbinden uns, mit denen, die vor uns waren, mit denen, die nach uns kommen - miteinander und mit Gott.
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