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Wer braucht schon Reli?



„Religion ist Privatsache. Ich gönne meinem Sohn lieber Freizeit und hab ihn vom Reli-Unterricht abgemeldet...“ Solche Aussagen höre ich häufig und ich muss gestehen, dass sie mich nicht nur betroffen, sondern zunehmend wütend machen. Nicht nur, weil ich selbst, wie alle Vikare und Pfarrerinnen, an einer öffentlichen Schule Religion unterrichte. Sondern vor allem weil ich weiß, was Religionsunterricht heutzutage bedeutet. Was er leistet und dass er heute wichtiger ist denn je.


In welchem anderen Fach, wenn nicht in Religion, finden die existenziellen Fragen des Lebens breiten Raum? „Wofür lohnt es sich zu leben?“, „Wie finde ich meinen eigenen Weg?“ oder „Wer ist mein Nächster?“ – lauten Auszüge aus dem Lehrplan für evangelische Religion.

Wo, wenn nicht in Religion, lernen die Kinder in einer säkularen Welt überhaupt noch, was die vielbeschworenen christlichen Werte überhaupt sind? Woher sie kommen und was sie für ihr Leben bedeuten können. Und wo sonst wird den Schülern der Zugang zum eigenen Glauben und zugleich der kritische Umgang mit Glaubensinhalten und Religion vermittelt? Und das gilt für jeden aufgeklärten Religionsunterricht.


Wenn also der bayerische Ministerpräsident Markus Söder im Wahlkampf durch Bierzelte tingelt und vor einem – Gott bewahre – flächendeckenden Islamunterricht an deutschen Schulen warnt, dann ist das populistisch. Und gefährlich.

Denn wenn sich in unseren Schulen Burschen als islamische Sittenwächter aufspielen, wenn junge Mädchen sich einreden lassen, Allah möge Mädchen mit Kopftuch lieber, und wenn Schüler aus religiösen Gründen bestimmte Lehrinhalte ablehnen, dann haben wir kein Problem mit zu viel, sondern ja wohl eher mit zu wenig aufgeklärtem Religionsunterricht.


Religionsunterricht darf nicht nur hinter verschlossenen Kirchen-, Moscheen- oder Synagogentüren stattfinden. Er darf auch keinesfalls religiösen Fanatikern überlassen werden. Reli – egal ob katholisch, evangelisch, orthodox, muslimisch, jüdisch usw. gehört an öffentliche Schulen und muss einem einsehbaren, reflektierten und zeitgemäßen Lehrplan folgen, so wie das heute üblich ist.


Eltern, die ihre Kinder von Religion abmelden, weil sie selbst vor 30 Jahren oder mehr vielleicht schlechte Erfahrungen mit antiquierten Unterrichtsmethoden gemacht haben, tun ihrem Nachwuchs keinen Gefallen. „Guter Religionsunterricht ist ein wirksames Mittel gegen jede Form von religiösem Extremismus. Und wer dafür ist, ihn abzuschaffen, entlässt die Menschen in religiösen Analphabetismus. Und Unbildung hat noch nie vor etwas geschützt“, hat meine Kollegin, die Pfarrerin Christine Hubka, neulich geschrieben. Oder wie es der Religionspädagoge Michael Meyer-Blanck ausdrückt: „Bildung ohne Religion ist unvollständig, Religion ohne Bildung ist gefährlich.“

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