„Das Christkind ist urgemein,“ erklärte mir neulich ein kleiner Junge beim Kindergottesdienst. „Vielleicht kann es mich aber auch einfach nicht leiden. Letztes Jahr hat es meinem großen Bruder zu Weihnachten neun Geschenkpackerl gebracht. Und mir nur vier. Was soll das? Ist das fair?“
Ehe ich mich versah, befand ich mich mit einer Gruppe von Vier- bis Achtjährigen mitten in einer Diskussion um Verteilungsgerechtigkeit. Fast alle hatten schon einmal eine ähnliche Situation erlebt. Eine, in der andere scheinbar oder offensichtlich mehr bekommen hatten. Mehr Spielzeug, mehr Geld, mehr Aufmerksamkeit. Und immer war die Schlussfolgerung die Gleiche: Vermutlich werde ich weniger geliebt...
Angeregt durch diese Kinder kam ich selbst ins Grübeln. Ist es eigentlich fair, wenn ich meiner kleinen Tochter zu Weihnachten weniger schenke, als der Großen. Weil von der Großen noch so viel Spielzeug da ist und die Kleine doch schon alles hat, was sie braucht? Ist es gerecht, wenn die eine Oma einen Gutschein für einen Wellness-Tag bekommt, während die andere „nur“ einen Fotokalender auspackt? Bedeutet Gerechtigkeit, dass alle das Gleiche bekommen? Oder zumindest Gleichwertiges?
Von Klein an sind wir darauf getrimmt, uns zu vergleichen. Uns zu messen. Was haben die anderen, was ich nicht habe? Warum hat X mehr Freunde, Y mehr Urlaub und Z den größeren Teil vom Erbe? Wir definieren unsere Leistung und unseren Wert in direkter Abhängigkeit zu unserem „Lohn“. Sei der Lohn nun Freunde, Urlaub, Geld, Geschenke oder Likes im Netz. Und klar ist: Wer weniger bekommt, hat’s nicht gebracht. Und was nichts bringt, ist sowieso nichts wert.
„Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit“, hatte der dänische Theologe Søren Kierkegaard gesagt. Vergleichen macht gleich. Es verkennt, dass jeder Mensch ein einzigartiges Wesen ist. Mit eigenen Bedürfnissen und Voraussetzungen. Der Vergleich ist Brutstätte für Abwertung, Neid und Missgunst. Er sieht immer nur das Offensichtliche. Nie das Dahintergelagerte. Zählt neun Päckchen auf der einen und vier auf der anderen Seite des Christbaums. Nicht ihre Geschichte, nicht ihre Bedeutung, nicht ihren emotionalen Wert. Der Vergleich ist immer nur eine Momentaufnahme und versperrt den Blick für das Große und Ganze.
Gottes Gerechtigkeit hingegen kennt kein Vergleichen. ER sieht die Menschen mit dem Blick der Güte an. Güte bewertet nicht. Sie rechnet nicht auf. Sie fragt nicht: „Was hast du geleistet?“ Güte wendet sich dem Einzelnen zu. In seiner Individualität, mit seinen eigenen Bedürfnissen und Interessen. Die Güte blickt nicht in die Vergangenheit – sie sieht in die Zukunft und fragt: „Was brauchst DU zum Leben?“
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